ver.di-Tarifinfo
Die Filmbranche braucht einen neuen Tarifvertrag über die Arbeitsbedingungen an Filmsets sowie in Pre- und Postproduction.Dazu hat die Tarifkommission der Filmschaffenden in ver.di, die sich aus einem Kreis von fast 40 Beteiligten aus den verschiedenen Gewerken und der Berufsvereinigung Filmton bvft zusammensetzt, die Erkenntnisse aus einer Befragung von 2250 Filmschaffenden herangezogen und Forderungen aufgestellt. Diese sind vor dem Beginn der Tarifverhandlung dem Tarifpartner Produzentenallianz übermittelt und beim ersten Verhandlungstermin, zusammen mit der Gewerkschaft BFFS, am 12. Oktober der Produzentenallianz vorgelegt worden.
Die ver.di FilmUnion bietet am 21. Oktober um 11:00 Uhr eine Online-Informationsveranstaltung an, um die Forderungen und deren Durchsetzung und den Stand der Verhandlungen zu erläutern. Hier erfolgt die Einwahl
Die Schwerpunkte der Tarifforderungen liegen auf einem neuen Arbeitszeitmodell aus 4-Tage-Woche, kürzerer Tagesarbeitszeit, höheren Zuschlägen, besserer Vergütung von Wegezeiten, mehr Urlaub und insgesamt einer zeitgemäßen work-life-balance. Damit soll die Arbeit in Filmproduktionen vergleichbare Arbeitsbedingungen bieten, wie sie in anderen Branchen üblich sind, damit attraktiver für Nachwuchskräfte und bewährte Profis werden. Dazu kommen drängende Themen wie die betriebliche Altersvorsorge in der Pensionsklasse Rundfunk oder grundlegend neue Themen aus den gemeinsamen Forderungen mit der Schauspielgewerkschaft BFFS. So sollen, wegen mangelnder gesetzlicher Schutzmechanismen, der für Filmschaffende und vor allem Schauspieler*innen bedrohliche Einsatz von generativer KI (Bewegtbild oder Stimmen erzeugende Programme unter dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz) erstmals in einem Tarifvertrag geregelt und eingedämmt werden. Aber auch die Berufseinstiegsgage im Schauspiel, Kostenbeteiligung bei e-castings, Einsatz von intimicy coordinators oder auch die gemeinsam getragene Themis Vertrauensstelle sind gemeinsame Forderungen. Die ver.di FilmUnion will also mit und für die deutschen Filmschaffenden grundlegende Veränderung der Tarifregelungen erreichen.
Die Tarifforderungen im Einzelnen:
Es soll eine Vier-Tage-Woche mit 40 Stunden gelten, die mit der aktuellen Wochengage zu vergüten ist (voller Lohnausgleich). Die Tageshöchstarbeitszeit soll auf elf Stunden begrenzt werden. Für die elfte Tagesstunde soll ein Überstundenzuschlag von 50% gelten.
Die Verrechnung von Zuschlägen jeder Art soll generell unzulässig sein.
Die Wochenend- und Feiertagszuschläge sollen in folgenden Höhen gelten: Sonnabend 50%, Sonntag 100%, Feiertage 100%. Diese Zuschläge sollen unabhängig vom Produktionskalender immer bezahlt werden, egal auf welchen Tag der Produktionswoche ein Wochenend- oder Feiertag fällt. Die Wochenend- und Feiertagszuschläge sollen ab vier anfallenden Stunden für den ganzen Arbeitstag bezahlt werden, anderenfalls sollen die Zuschläge zeitanteilig gezahlt werden. Für jeden Sonn- und Feiertag an dem gearbeitet wurde, soll als Ausgleich weiterhin ein bezahlter Urlaubstag gewährt werden.
Feiertage sollen die gesetzlichen Feiertage am Arbeitsort sein, zuzüglich Ostersonntag, Pfingstsonntag, Heiligabend und Silvester.
Nachtzuschläge sollen folgendermaßen gelten: Von 20:00 bis 24:00 Uhr 50% und von 0:00 bis 6:00 Uhr 100%. Fallen mehr als vier Stunden Nacharbeit an, soll die Arbeit, die über 6:00 Uhr hinausgeht, weiterhin mit 100% Zuschlag vergütet werden.
Die Pausen-Regelung soll umformuliert werden, um anwendungsfreundlicher zu sein.
Die tägliche An- und Abfahrt zum/vom Arbeitsplatz soll bezahlte Arbeitszeit sein. Fahrzeiten sollen nicht als Ruhezeiten gelten. Bei Dienstreisen sollen auch auf Reisezeiten Zuschläge gezahlt werden.
Dem Grundsatz nach soll der Jahresurlaub auf 30 Tage im Jahr erhöht werden. Dazu sollen für je sechs Beschäftigungstage 0,5 Tage Urlaubsanspruch entstehen.
Für Beschäftigungsverhältnisse ohne entstehenden Urlaubsanspruch (bei tageweiser Beschäftigung bzw. für Zusatzpersonal) wird die Grundgage um 10% erhöht.
Feiertage im angehängten Urlaub sollen bezahlt werden. Was eine Klarstellung des status quo ist.
Aus geleisteten Überstunden soll auch ein Urlaubsanspruch entstehen, indem ein Zeitkonto-Guthaben entsprechend anwächst.
Jede Woche soll ausnahmslos zwei zusammenhängende Ruhetage haben (48+11 Stunden).
Es soll ein verbindlicher Arbeitszeitplan gelten, der jeweils am Sonnabend für die kommende Arbeitswoche mitgeteilt wird. Abweichungen davon sollen nachträglich nur mit einzuholender Zustimmung der/des Filmschaffenden ermöglicht werden. Wochenend- und Nachtarbeit sollen langfristig angekündigt werden und der Zustimmung des/der Filmschaffenden bedürfen. Pauschale Zustimmungen im Arbeitsvertrag sollen ungültig sein.
Unabhängig von der Beschäftigungsdauer soll ein Arbeitsvertrag, wenn von dem/der Filmschaffenden gewünscht, immer auf mindestens sieben sozialversicherungspflichtige Tage (volle SV-Woche) geschlossen werden. Eine angebrochene Woche soll auf sieben sozialversicherungspflichtige Tage erstreckt werden können.
Arbeitsverträge müssen schriftlich vor Beschäftigungsbeginn abgeschlossen werden, was eine Klarstellung des status quo darstellt.
Vertraulichkeitsklauseln dazu, über die Höhe der eigenen Gagen und Vergütungsbestandteile im Team Stillschweigen zu bewahren, sollen in Arbeitsverträgen unzulässig sein.
Es soll ein Tarifvertrag zur betrieblichen Altersversorgung abgeschlossen werden, mit dem Regeldurchführungsweg in der Pensionskasse Rundfunk. Dies soll zur Erweiterung der Beitragspflicht zur Pensionskasse Rundfunk für alle Filmproduktionen führen, die unabhängig vom jeweiligen Auftraggeber des Filmprojekts gelten soll.
Filmschaffende sollen auf eigenen Wunsch in Teilzeit und ggf. im Jobsharing-Modell mit einer/m weiteren Filmschaffenden arbeiten können. Die Arbeitgeberseite muss sich solchen Arbeitszeitmodellen öffnen, um familienfreundliches Arbeiten zu ermöglichen und damit den gesetzlichen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung auch in Filmproduktionen umzusetzen.
Der neu abgeschlossene Manteltarifvertrag soll allgemeinverbindlich werden, das AVE-Verfahren soll gemeinsam beantragt werden. Damit soll Tarifflucht und Tarifdumping durch Außenseiter entgegengewirkt werden.
Gemeinsame Forderungen zusammen mit dem BFFS:
Die Einstiegsgage wurde seit 01.04.2020 nicht mehr erhöht. Die Einstiegsgage soll auf 1.200 € pro Drehtag steigen.
Intimacy Coordinator sollten künftig bei Intimitäts- und körpernahen Szenen zur Drehvorbereitung und -abwicklung hinzugezogen werden müssen. Eine tarifrechtliche Regelung soll das auch im Sinne des Arbeitsschutzes sicherstellen.
Die Themis Vertrauensstelle sollte als überbetriebliche Beschwerdestelle tarifrechtlich anerkannt werden. Über die Themis Vertrauensstelle soll für Betroffene die Möglichkeit bestehen, Beschwerden gemäß § 13 AGG an das Produktionsunternehmen zu richten. Nach Prüfung der Beschwerde durch das Produktionsunternehmen ist das Ergebnis der Beschwerde der Themis mitzuteilen.
Die Durchführung von E-Castings und der damit verbundene Aufwand für teilnehmende Schauspieler*innen führt mit Blick auf die derzeitige Beschäftigungs- und Einkommenssituation für Schauspieler*innen zu wirtschaftlichen Belastungen, die nicht ausschließlich von den „Bewerber*innen“ zu tragen sind. Dazu braucht es eine tarifrechtliche Verbesserung.
Schauspieler*innen brauchen für die Phase, in der die Politik noch keine Regelungen für den Umgang mit KI getroffen hat, tarifliche Vorsichtsmaßnahmen, die sicherstellen, dass - vorerst - das Aussehen, die Stimme, die Darbietung von Schauspieler*innen in Film und Fernsehen nicht dazu verwendet werden dürfen, um damit:
a) diese Schauspieler*innen künstlich zu animieren oder
b) Systeme künstlicher Intelligenz zu trainieren.
Von diesem Grundsatz sollte nur und erst dann abgewichen werden können,
c) wenn BFFS, ver.di und Produzentenallianz kollektivvertragliche Mindeststandards vereinbart haben,
d) die betreffenden Schauspieler*innen zur Verwendung ihres Materials eingewilligt haben und
e) sie dafür Vergütungen erhalten, die diese Mindeststandards nicht unterschreiten dürfen.
Mehr und besser!
Je mehr Filmschaffende Mitglied der ver.di FilmUnion werden, desto besser für alle und für jede und jeden Filmschaffende selbst. Die Ansprechpartner*innen an den Filmstandorten unterstützen bei Fragen und Konflikten um den Arbeitsvertrag und helfen bei der Durchsetzung der erreichten Tariferfolge. Für Mitglieder ist Rechtsberatung und Rechtschutz im Beitrag enthalten. Gemeinsam erreichen Filmschaffende in der ver.di FilmUnion mehr - je mehr Filmschaffende Mitglied werden, desto besser.
Gewerkschaftssekretärin Fachgruppe Medien, Journalismus und Film, öffentlich-rechtlicher und privater Rundfunk